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NordWest FAKTOR Informationen und Positionen zum Gesundheitswesen 01/24 Teures Paket Die Krankenhausreform nimmt mühsam Gestalt an. Wesentliche Kosten will die Bundesregierung auf die GKV abwälzen. Für die Beitragszahlenden wird es teuer. Tom Ackermann Vorstandsvor- sitzender der AOK NordWest D er Gesetzentwurf des Bundes- gesundheitsministers ließ lan- ge auf sich warten, doch nun werden die Berliner Vorschlä- ge zur Krankenhausreform kon- kret. Hat sich das Warten gelohnt? Nun, darüber kann und wird man trefflich streiten. Aus meiner Sicht können vor allem die Bundesländer zufrieden sein, sollen doch viele ihrer Forderun- gen gut bedient werden: Kräftige Unterstützung bei den In- vestitionskosten, Ausnahmen bei der Vorhaltefinanzierung mit Freiräumen bei den Qualitätsvorgaben und das Ganze garniert mit höheren Landesbasisfallwerten, mit denen die Kliniken ihre Kostensteigerungen nahezu vollständig an die Krankenkassen durchreichen können. Das dürfte die Wogen im weiteren Verfah- ren etwas glätten. Für die gesetzlichen Krankenkassen und die Beitragszahlenden wird das Paket kostspielig. Denn auf schlan- kem Fuß verabschiedet sich der Bund von seiner Zusage, sich an den reformbedingten Investitionen zu beteiligen. Stattdes- sen soll die Solidargemeinschaft in die Bresche springen und den in der Verantwortung der Länder liegenden Umbau der Kliniklandschaft mit 25 Milliarden Euro subventionieren. Allen Grundsätzen der dualen Finanzierung zum Trotz. Nach meinem Geschmack sind das ein paar bittere Pillen zu viel. Die Beitragszahlenden der GKV werden zur Kasse ge- beten, egal, ob die Reform qualitativ und wirtschaftlich greift oder nicht. Natürlich würden Patientinnen und Patienten künftig von einer verbesserten Versorgungsqualität profitieren. Dazu ist es aber nach wie vor notwendig, die Leistungsstrukturen der Krankenhäuser nach einheitlichen und verbindlichen Kri- terien zu definieren und die Länder müssten ihre Krankenhaus- planung und Versorgungsaufträge konsequent daran ausrich- ten. Ob das ausreichend gelingt, ist keineswegs sicher. Denn das erforderliche Feintuning der Reform, das Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen je Leistungsgruppe vorsieht, wird im Gesetz ausgeklammert. Die entsprechenden Rechtsverord- nungen sollen später folgen und bedürfen der Zustimmung der Länderkammer. Dann dürfte das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern und das Pokern um Ausnahmeregelungen von vorn beginnen. Bis dahin ist für die Beitragszahlenden nur eines sicher: Es wird teurer, aber nur vielleicht besser. • ta 3 Was Kerstin von der Decken über die Krankenhausreform und die Klinik-Finanzierung denkt. 6 NRW setzt auf Hitzeschutzpläne für Krankenhäuser und Pflege- einrichtungen. 9 Es gibt große Unkenntnis über „klimaschonende Ernährung“. Das ergab eine forsa-Umfrage. Inhalt AOK. Die Gesundheitskasse.
2 Rede und Antwort NWFAKTOR 01/24 Standpunkte GESUNDHEITSVERSORGUNGSSTÄRKUNGSGESETZ Lutz Schäffer alternierender Verwal- tungsratsvorsitzender der AOK NordWest Keine Reservekasse „Stabil und verlässlich“ sollte die GKV finanziert werden. Mit diesem Bekenntnis ist die Ampel-Koalition angetreten. Inzwischen steht fest: Daraus wird nichts. Statt die Bei- tragszahlenden von versicherungs- fremden Aufgaben zu entlasten, sollen sie weitere staatliche Auf- gaben finanzieren. Natürlich sind Investitionen in den Umbau der Krankenhauslandschaft und mehr Medizinstudienplätze notwendig. Und dass der Bund den klammen Ländern dabei unter die Arme greift, wäre zielführend. Aber bitte aus eigenen (Steuer-)Mitteln! Der aus Beiträgen gespeiste Gesundheitsfonds ist keine Reservekasse des Bundes. Wenigs- tens darauf sollte Verlass sein. Johannes Heß alternierender Verwal- tungsratsvorsitzender der AOK NordWest Irrweg Geheimpreise Die Intention, Deutschland für For- schung, Entwicklung und Produk- tion von Arzneimitteln attraktiver zu machen, ist richtig. Aber wie die in diesem Kontext geplanten Geheimpreise zu höheren Rabat- ten und Einsparungen bei neuen Arzneimitteln führen sollen, bleibt schleierhaft. Wie sollen Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung Kosten und Nutzen abwägen, wenn sie die tatsächlichen Preise nicht kennen? Warum sollen Krankenkassen zu- nächst die überhöhten Listenpreise zahlen, bevor sie die geheim verein- barten Rabatte zurückbekommen? Der Ansatz birgt zu viele Risiken und Nebenwirkungen. Intranspa- renz und Bürokratie sind ein Irrweg. Ein bisschen Licht und viel Schatten Der Referentenentwurf löst wenig Begeisterung aus. Kritik gibt es an kostspieligen Maßnahmen wie der Subvention von Medizinstudienplätzen. s n o i t c u d o r P I D S : o t o F Medizinstudienplätze könnten in Zukunft finanziell besonders gefördert werden. G esundheitskioske, Primärzent- ren, Gesundheitsregionen: Mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommu- ne – kurz Gesundheitsversorgungsstär- kungsgesetz – will Bundesgesundheits- minister Karl Lauterbach die Versorgung vor Ort verbessern und sozial benach- teiligten Gruppen einen besseren Zu- gang zu medizinischen Leistungen ver- schaffen. Kommunen erhielten mehr Möglichkeiten, „auf die vor Ort beste- henden Bedarfe im Hinblick auf die Ge- sundheitsversorgung zu reagieren“, heißt es in dem Referentenentwurf, der eine Woche vor Ostern bekannt wurde. So weit, so gut. Die Regelungen im Sin- ne einer verstärkten regional vernetz- ten, kooperativen Gesundheitsversor- gung weisen in die richtige Richtung. Die Versorgung von Menschen in länd- lichen und strukturschwachen Regio- nen zu fördern und dabei die speziel- len Bedürfnisse vulnerabler Gruppen aufzugreifen, ist wichtig. Und richtig – wenngleich ausbaufähig – ist auch der Ansatz, die dafür notwendigen Gestal- tungsfreiräume auf regionaler Ebene zu schaffen. Schließlich prägen diese Handlungsfelder auch die Versorgungs- philosophie der AOK. Insoweit bietet der Entwurf einige Anknüpfungspunkte für eine konstruktive Weiterentwicklung der ambulanten Versorgungsangebote. Dennoch löst der Referentenentwurf bei den Krankenkassen und ihren Verbänden keine Begeisterung aus. „Ausgabensteigerungsgesetz“, „Bei- tragszahlerbelastungsgesetz“, „Ge- mischtwarenladen“ – lauten erste Re- aktionen. Der Grund liegt weniger am Kerngerüst des Gesetzeswerks, son- dern an den kostspieligen Anbautei- len: Entbugetierung der hausärztlichen Honorare und Vorhaltepauschalen, Bonuszahlung für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung, Schwächung der Wirtschaftlichkeits- prüfung. Trägt das zur Verbesserung der Versorgung bei? Sehr fraglich. Und alles ist zusätzlich zur Förderung von Gesundheitsregionen, Gesundheitski- osken und Primärversorgungszentren zu finanzieren – deren finanzielle Aus- wirkungen im Entwurf gar nicht mehr beziffert werden. Den lautesten Widerspruch erntet aller- dings der Plan, zusätzliche Medizinstu- dienplätze von den Beitragszahlenden dauerhaft subventionieren zu lassen. Je nach Inanspruchnahme werden da- für 2026 zunächst bis zu 110 Millio- nen Euro veranschlagt. Diese würden in den Folgejahren anwachsen und ab dem Jahr 2031 den Wert von maximal 660 Millionen Euro pro Jahr erreichen. Aus Sicht der Kassen ein absolutes „No- Go“. Denn damit sollen einmal mehr ori- ginär staatliche Aufgaben auf die Bei- tragszahlenden abgewälzt werden, die dann über Steuern und Beiträge doppelt zur Kasse gebeten werden. • bh
r e t e P k n a r F : o t o F NWFAKTOR 01/24 Rede und Antwort 3 VORSITZENDE DER GESUNDHEITSMINISTERKONFERENZ Kliniken wirtschaftlich sichern Kerstin von der Decken über den Stand der Krankenhausreform, den Krankenhausplan für Schleswig-Holstein und die finanzielle Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern. Interview Sie haben in diesem Jahr den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz der Länder. Welche Schwerpunkte setzen Sie? Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen möchte ich den Fokus auf die Sicherstellung der Gesundheitsversor- gung insgesamt legen. Dazu gehört die Krankenhausreform, aber auch die am- bulante Versorgung, die vor ähnlichen Herausforderungen steht: zunehmender Fachkräftebedarf, Tarifsteigerungen, in- flationsbedingte Mehrkosten, Arbeits- verdichtung und Bürokratie. Und dazu gehört eine funktionierende Arzneimit- telversorgung. Diese drei Bereiche müs- sen sinnvoll ineinandergreifen, um die begrenzten Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Dazu brauchen die Akteu- re gute Rahmenbedingungen. Dafür set- ze ich mich ein. Ihr Ministerium arbeitet derzeit am neuen Krankenhausplan. Wie ist der Stand? Wir erstellen derzeit eine Versorgungs- bedarfsanalyse. Damit erfassen wir den Istzustand – wo leben wie viele Men- schen und welche Leistungen erhalten sie in welchen Kliniken? Dann folgt eine Prognose: Welche Leistungen, Fallzah- len, Fahrtzeiten und weitere Parameter sind künftig zu erwarten? Beides wird die Grundlage für die Krankenhausplanung, die wir anschließend mit angepassten Versorgungsaufträgen für die Kliniken umsetzen wollen. Mir ist besonders wich- tig, dies mit den Akteuren – u. a. Kliniken, Kassen, Kommunen, Ärztekammer, Kas- senärztliche Vereinigung – abzustimmen. Es geht nur gemeinsam. Noch ist unklar, wie es mit der bundesweiten Krankenhausreform weitergeht. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Planungen? Unser Ziel war, dass die Reform der Kran- kenhausplanung – in Zuständigkeit der Länder – und der Betriebskostenfinan- zierung – in Zuständigkeit des Bundes – Hand in Hand gehen. Jedoch wurden die Länder leider entgegen der Verein- barungen wiederholt vom Bundesge- sundheitsminister im Unklaren gelassen. » Der Bund muss schneller handeln. Kerstin von der Decken, Ministerin für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein Das verzögert die Reform. Wir arbeiten in Schleswig-Holstein dennoch wie be- schrieben weiter an unserem Teil. Dabei soll auch eine neue Systematik zum Tra- gen kommen: Statt der bisherigen Grö- ße „Planungsbett“ soll die Planung künf- tig anhand von Leistungsgruppen unter Festlegung verbindlicher Strukturkriterien erfolgen. Wir wollen uns an den 65 Leis- tungsgruppen orientieren, die Nordrhein- Westfalen – und grundsätzlich wohl auch der Bund – vorsehen. Sie haben sich im Bundesrat für ein „Nothilfeprogramm für existenzbe- drohte Krankenhäuser“ eingesetzt. Wie dramatisch ist die Lage in Schleswig-Holstein? Gemeinsam mit einer breiten Länder- mehrheit drängen wir darauf, dass der Bund seiner Verpflichtung nach §1 KHG nachkommt, die Krankenhäuser wirt- schaftlich zu sichern. Es ist nicht hin- nehmbar, dass der Bund angesichts der Kostenzuwächse nicht schneller handelt. Insolvenzen sind die Folge. In Schleswig- Holstein hatten wir 2023 drei, 2024 be- reits eine. Die Kliniken können Patien- tinnen und Patienten nicht abweisen – unabhängig davon, ob sie kostende- ckend arbeiten oder nicht. Der Hinweis des Bundes, dass die Länder ihren Ver- pflichtungen bei Investitionskosten nach- zukommen haben, ist richtig. Aber ein po- tenzieller Investitionsstau ist weder in der Sache noch in der Höhe ursächlich für In- solvenzen. Diese entstehen, wenn laufen- de Ausgaben die laufenden Einnahmen dauerhaft übersteigen. Und dafür trägt der Bund die Verantwortung. Die Länder arbeiten intensiv daran, ihren Investiti- onsverpflichtungen nachzukommen und erwarten, dass der Bund bei der Betriebs- kostenfinanzierung – und bei reformbe- dingten Investitionen – seiner Verantwor- tung ebenfalls gerecht wird. Tarifsteigerungen des Klinikperso- nals sollen nun offenbar vollständig über die Landesbasisfallwerte refinanziert werden. Ist damit die finanzielle Liquidität der Kliniken ausreichend gesichert? Das entspricht im Grundsatz einer der Forderungen der Länder. Meine Erfahrun- gen mit Ankündigungen des Bundes ha- ben mich jedoch – leider – gelehrt, sich nur auf belastbare Fakten in Form eines be- schlossenen Gesetzes zu verlassen. • bh
4 Fakten und Hintergründe NWFAKTOR 01/24 FINANZIERUNG DER PFLEGE Kosten für Heime explodieren Die finanzielle Belastung der Pflegeheim-Bewohnenden erreicht auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein neue Höchststände. Die AOK fordert nachhaltige Lösungen zur Begrenzung und eine ehrliche und offene Diskussion darüber. s e g a m i _ e s p i l c e / m o c k c o t S . i : o t o F D ie Eigenanteile von Pflegeheim-Bewohnenden sind im vergangenen Jahr erneut deutlich gestiegen. Das geht aus einer aktuellen Auswertung des Wis- senschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Im Vergleich zum Jahr 2022 gab es bei den pfle- gebedingten Eigenanteilen einen Anstieg von durchschnittlich 15,1 Prozent in Nordrhein-Westfalen und 16 Prozent in Schles- wig-Holstein. „Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die bishe- rigen politischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die finan- ziellen Belastungen der Pflegeheim-Bewohnenden zu begrenzen. Wir brauchen dringend wirksame und nachhaltige Lösungen zur finanziellen Entlastung der Betroffenen. Und wir brauchen eine ehrliche Diskussion darüber, was die Pflegever- sicherung als Teilleistungssystem künftig übernehmen soll und welchen Anteil die beitragszahlenden Arbeitnehmer und Ar- beitgeber daran haben“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvor- sitzender der AOK NordWest. Trend zu höheren Eigenanteilen ungebrochen Nach der aktuellen WIdO-Analyse ergab sich für die Pflegeheim- Bewohnenden in NRW Ende des Jahres 2023 eine durchschnitt- liche Gesamtbelastung von 2.554 Euro pro Monat. In Schleswig- Holstein waren es 2.129 Euro und bundesweit 2.267 Euro. Die durchschnittliche Gesamtbelastung liegt damit in NRW und Schleswig-Holstein ungefähr auf dem Niveau vor der Einführung der nach Wohndauer gestaffelten Zuschläge zur Entlastung, die seit dem 1. Januar 2022 greifen. Bei den Pflegebedürftigen mit langer Wohndauer haben diese Zuschläge für eine deutliche Entlastung gesorgt. „Insgesamt ist der Trend zu immer höhe- ren Eigenanteilen allerdings ungebrochen“, betont Ackermann. » Pflege ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Tom Ackermann Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest Politik in Bund und Ländern muss jetzt schnell handeln Eine Maßnahme, die schnell umsetzbar wäre, ist nach Vor- schlag von Ackermann die Herausnahme der Ausbildungs- kosten aus den Eigenanteilen. Hier handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu fi- nanzieren wäre. „Dies würde die Pflegebedürftigen in den Hei- men auf einen Schlag um etwa eine Milliarde Euro entlasten“, so Ackermann. Dieses Versprechen aus dem Koalitionsvertrag der Ampel sollte trotz schwieriger gewordener finanzieller Rah- menbedingungen endlich umgesetzt werden. Außerdem soll- ten die Investitionskosten der Pflegeheime nicht mehr weiter den Pflegebedürftigen aufgebürdet werden. Sie müssen statt- dessen als Teil der Daseinsvorsorge vollständig von den Län- dern getragen werden. „Pflege ist und bleibt eine gesamtge- sellschaftliche Aufgabe“, so Ackermann. • ae wido.de/forschung-projekte/pflege/finanzierung- der-pflege/entwicklung-eigenanteile
NWFAKTOR 01/24 Fakten und Hintergründe 5 Auf einen Blick Eigenanteile in der stationären Pflege Trotz der 2022 eingeführten Zuschläge zur Begrenzung des Eigenanteils für Pflegeaufwendungen nimmt die durch- schnittliche Gesamtbelastung der Pflegeheim-Bewohnenden weiter zu. Nach einer Auswertung des WIdO mussten sie in NRW im Jahr 2023 durchschnittlich 814 Euro pro Monat selbst für die Pflege zahlen. Hinzu kamen im Schnitt 1.156 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 583 Euro für Investitionen. Damit summierte sich die durchschnitt- liche Gesamtbelastung auf 2.554 Euro pro Monat. Die nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschläge zur Be- grenzung der Eigenanteile für die Pflege betrugen durchschnittlich 514 Euro im Monat. In Schleswig-Holstein lagen diese Zuschläge im Schnitt bei 524 Euro pro Monat. Der verbleibende Eigenanteil an der Pflege betrug dort durch- schnittlich 739 Euro im Monat, für Unterkunft und Verpflegung kamen 889 Euro, für die Investitionen 502 Euro hinzu. Die durchschnittliche Gesamtbelastung summierte sich in Schleswig-Holstein auf rund 2.129 Euro pro Monat. Die Belastungen in den Bundesländern schwanken beträchtlich 2.500 2.544 2.267 471 2.000 484 2.181 389 2.103 2.034 2.190 2.158 396 347 487 535 2.301 503 982 909 827 728 801 955 885 1.500 1.000 500 874 1.091 964 980 886 748 738 833 965 2.554 2.456 583 519 2.640 595 2.063 2.129 405 1.800 502 1.999 402 1.156 1.110 1.075 744 309 720 889 816 2.041 572 1.837 352 736 757 750 712 814 827 970 915 771 739 781 0 g r e b m e t t r ü W - n e d a B d n u B n r e y a B n i l r e B g r u b n e d n a r B n e m e r B g r u b m a H n e s s e H - g r u b n e l k c e M n r e m m o p r o V n e s h c a s r e d e N i i - n e h r d r o N n e l a f t s e W d n a l r a a S z l a f P n e s h c a S - n e s h c a S t l a h n A i - g w s e h c S l i n e t s l o H n e g n i r ü h T l - d n a n e h R i pflegebedingte Eigenanteile Unterkunft und Verpflegung Investitionskosten Quelle: © WIdO 2024 Recht und Gesetz EU-Datenaustausch kommt „Blankoverordnung“ Organspenderegister ist online Der Weg für den Aufbau eines europäi- schen Gesundheitsdatenraumes (EHDS) ist frei. Vertreter des EU-Parlamentes und des Rates der 27 EU-Staaten einigten sich auf einen Gesetzesrahmen für den grenzüber- schreitenden Austausch von Gesundheits- daten. Umstritten war bis zuletzt, wie das Recht auf Widerspruch gegen die Nutzung persönlicher Gesundheitsdaten gestaltet wird. Parlament und Rat müssen dem Ergebnis noch offiziell zustimmen. Ärzte können seit April Blankoverordnun- gen für Ergotherapie ausstellen. Die The- rapeuten entscheiden dann eigenständig über die Auswahl der Heilmittel, Häufig- keit und Dauer der Behandlungen sowie die Gesamtdauer der „blanko“ verordne- ten Therapie. Über einen Zeitraum von bis zu 16 Wochen können sie die Therapie patientenindividuell und bedarfsgerecht gestalten. Die Ergotherapeuten erhalten damit mehr Versorgungsverantwortung. Seit 18. März kann die Spendebereitschaft für Gewebe und Organe im Organspen- deregister dokumentiert werden. Dort ist diese Information sicher hinterlegt und schnell verfügbar. Für den Eintrag ist eine Authentifizierung mit der eID-Funk- tion des Personalausweises notwendig. bfarm.de > Das-BfArM > Aufgaben > Organspende-Register Foto: iStock.com / Rawf8 Foto: iStock.com / Yuri_Arcurs Foto: iStock.com / Makidotvn
e f l i h l l a f n a g a l h c S . t D : o t o F 6 Lokal und Regional NWFAKTOR 01/24 LOTSEN-PROJEKT HITZESCHUTZPLAN Regional gut versorgt NRW schützt sich vor Hitze Im Projekt „LEX LOTSEN OWL“ werden die Erfahrungen aus den Lotsenmodellen „STROKE OWL“ (bei Schlaganfall) und Cardiolotsen zusammengeführt. Der Klimawandel sorgt in den Sommermonaten zunehmend für Hitzewellen. NRW unterstützt daher stationäre Einrich- tungen im gesundheitsbezogenen Hitzeschutz. Lotsinnen und Lotsen stehen den Betroffenen zur Seite. Die Begleitung durch Lotsinnen und Lotsen nach einem Schlag- anfall ist in der Region Ostwest- falen-Lippe bereits seit mehreren Jahren zum Nutzen der betroffe- nen Patientinnen und Patienten etabliert. Zu Cardiolotsen liegen Erfahrungen aus einem Modell- projekt in Berlin vor. Neu für die Region Ostwestfalen-Lippe ist aber nicht nur der vorgesehene Einsatz von Cardiolotsinnen und -lotsen, sondern auch der Aufbau von regionalen Lot- senbüros. Es soll ein systematisches Steuerungsverfahren entwickelt werden, um die Koordination der verschiedenen Leistungserbringer und Akteure zu unterstützen. Neben der Wirksamkeit von Lotsenprozessen wird im Projekt auch die Ef- fizienz der Organisationselemente und die Arbeit der Lotsen- büros analysiert. Beides fließt in die Evaluation ein. Die Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe, die AOK Nord- West und weitere Krankenkassen beteiligen sich an dem Projekt, das wie „STROKE OWL“ aus dem Innovationsfonds vom Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert wird. Bei Erfolg kann das Projekt Basis für rechtliche Rahmenbedin- gungen einer Regelversorgung werden. „LEX LOTSEN OWL“ versteht sich in diesem Sinn als Governance-Projekt. Das Projekt wird für drei Jahre mit rund sieben Millionen Euro gefördert. • en i i r e d R t c P / m o c k c o t S . i : o t o F Hitze stresst – und kann richtig ge- fährlich werden. Die gesundheit- lichen Auswirkungen zunehmen- der Hitzewellen auf die Menschen in NRW steigen spürbar an. Im Auf- trag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat das Landeszentrum Gesundheit Nord- rhein-Westfalen mit weiteren Akteu- ren Arbeitshilfen für die Erstellung von Hitzeschutzplänen entwickelt. Die Dokumente stehen in zwei Varianten – für Krankenhäuser und für stationäre Pfle- ge- und Wohneinrichtungen – online zur Verfügung. Höhere Temperaturen zwingen zum Handeln. „Die AOK NordWest begrüßt die Arbeitshilfen. Sie bieten eine umfangreiche Auswahl an Maßnahmen zum Hitzeschutz an. Dabei werden sowohl einfache Verhaltensänderungen wie Empfehlungen zu Trink- und Ernährungsverhalten als auch langfristige verhältnisbasierte Maßnahmen wie zum Beispiel gebäudebezogene Gestaltungsmöglichkeiten aufgegriffen“, sagt Marc König, Unternehmensbereichsleiter Serviceleistun- gen bei der AOK NordWest. Für ältere und kranke Menschen in stationären Einrichtungen können hohe Temperaturen sehr belastend sein. Ein umfangreicher Schutz an heißen Tagen beugt Gesundheitsrisiken vor und entlastet somit auch die Einrichtungen. • pe lzg.nrw.de/ges_foerd/klima_gesundheit/hsp/ Kurz gemeldet aus Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein AOK-Firmenläufe gehen wieder los Gemeinsam über die Ziellinie laufen, die eigene Firma in der Öffentlichkeit präsen- tieren und als Team zusammenwachsen – das Erlebnis Firmenlauf bietet für Arbeitgeber und Mitarbeitende viele Vorteile. Das Schnüren der Laufschuhe verbindet und gibt Gelegenheit, Kollegen, Kol- leginnen und Vorgesetzte von einer persönlichen Seite kennenzulernen. Das stärkt das Wir-Gefühl. Im Jahr 2023 starteten mehr als 3.200 Fir- men mit über 51.000 Aktiven bei 16 Firmenläufen in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Auch in diesem Jahr bietet die AOK NordWest wieder 16 Starts für unvergessliche Teamer- lebnisse. Bei den Terminen von Früh- ling bis zum Spätsommer hat der Spaß an der Bewegung Vorrang vor Bestzeiten. Die Distanzen zwischen fünf und sechs Kilometern ermögli- chen auch nicht so trainierten Läu- ferinnen und Läufern die Teilnahme. aok-firmenlauf.de DMP Osteoporose startet in WL In Westfalen-Lippe wird für Pa- tientinnen und Patienten mit einer medikamentös behandlungsbe- dürftigen Osteoporose ab April 2024 ein strukturiertes Behand- lungsprogramm (DMP) eingeführt. Vorrangiges Ziel ist es, durch die strukturierte und leitliniengerech- te Behandlung die Qualität der Versorgung von an Osteoporose er- krankten Patientinnen und Patien- ten zu verbessern. Das DMP Osteo- porose kommt geschätzt für etwa
NWFAKTOR 01/24 Lokal und Regional 7 ONLINE-PLATTFORM MEDIKAMENTENRÜCKSTÄNDE Angebote gegen Einsamkeit NRW baut Kläranlagen aus „Einsamkeit NRW“ bietet Interessierten verschiedene Angebote zum Thema. Eine AOK-Studie belegt, einsame Menschen fühlen sich gesundheitlich stärker belastet. Reinigungsintensivere Anlagen sollen die enorme Belastung von Abwässern durch Medikamentenreste verringern. Die EU will zudem Pharmakonzerne stärker in die Pflicht nehmen. Einsamkeit geht mit Sympto- men wie Traurigkeit, Angst, Leere und dem Gefühl, voll- ständig verlassen zu sein, einher. Die Folgen sind viel- fältig, von Depressionen bis hin zu Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Schäden. Laut WHO ist das Risiko, vorzeitig zu sterben, für einsame Men- schen so hoch wie durch Rauchen, Fettleibigkeit oder Luft- verschmutzung – oder sogar höher. Das Land NRW bündelt auf dem Portal Informationen. Nutzerinnen und Nutzer kön- nen über eine Postleitzahlensuche Angebote in ihrer Nähe finden. Lokale Projekte und Initiativen haben die Möglich- keit, sich gegenseitig auszutauschen. Darunter befinden sich Angebote zum Mitmachen und Vernetzen vor Ort. Die Übersicht wird stetig weiterentwickelt und mit weiteren An- geboten gefüllt. In einer 2022 veröffentlichten Studie des Wissenschaft- lichen Instituts der AOK wurden Menschen befragt, wie sehr sie sich durch die Corona-Pandemie gesundheitlich belas- tet gefühlt hätten. 42 Prozent der einsamen Personen ga- ben an, bei ihnen sei dies stark oder sehr stark der Fall ge- wesen. Dies waren fast doppelt so viele wie nicht einsame Menschen. • sm i a n h e n S a n o l A / m o c k c o t S . i i i : o t o F Im Kampf gegen Arzneimittelrück- stände im Abwasser plant NRW, Kläranlagen auszubauen. Um die Medikamentenreste herauszufiltern, ist eine vierte Reinigungsstufe nötig. 101 Anlagen sollen bis 2039 diese Stufe zur Reduzierung des Eintrags von Mikroschadstoffen erhalten. Mehr als 150 Oberflächengewässer wiesen „Überschreitungen für Arz- neimittelwirkstoffe oder Abbauprodukte auf“, so NRW-Um- weltminister Oliver Krischer. Mit dem demografischen Wan- del werde sich die Abwasserbelastung verstärken. Die Belastung mit Schadstoffen ist hoch. Die Herausforderungen beim Abwasser sind europaweit ein Thema. In den Trilogverhandlungen gab es Ende Januar eine Einigung zur Überarbeitung der mehr als 30 Jahre alten Richtlinie über kommunales Abwasser. Ein Punkt ist die Ein- führung der Verantwortung der Hersteller von Humanarznei- mitteln und kosmetischen Mitteln. Diese sollen mindestens 80 Prozent der Kosten für die Beseitigung von Mikroschad- stoffen in Form der vierten Reinigungsstufe tragen. Wie groß das Problem von verseuchtem Abwasser aus Pharmafabriken bei Antibiotika-Resistenzen ist, zeigte jüngst eine Pilotstudie im Auftrag der AOK. Befunde unter anderem aus Spanien und Italien ergaben deutliche Grenzwertüberschreitungen. • imo land.nrw/einsamkeit aok.de/pp/bw/pm/nachhaltige-arzneimittelversorgung/ 150.000 Patientinnen und Patienten in Westfalen-Lippe infrage. Öfter von der Erkrankung betroffene Frauen können ab 50 Jahren teilnehmen. Für Männer beträgt das Mindestalter 60 Jahre. Interessierte Hausärzte und Fachärzte für Orthopädie sowie Unfallchirurgie können sich bereits seit Ende Februar 2024 in das Programm einschreiben, sodass ab April das DMP Osteoporose in den Praxen starten kann. In Schles- wig-Holstein läuft das DMP Osteo- porose bereits seit Oktober 2023. aok.de/gp/dmp/osteoporose Bewegungsprogramme für ältere Menschen Die Gesellschaft in Deutschland wird älter. Ein Fakt, der auch den Landes- sportverband Schleswig-Holstein (LSV) und die AOK NordWest umtreibt. Un- bestritten ist, dass Bewegung gesund erhält. Deshalb unterstützen AOK und LSV Sportvereine bei der Gestaltung von Seniorensport-Angeboten. Fünf Bewegungsprogramme wurden dafür entwickelt. Eines davon ist „Alter in Bewegung“. Es richtet sich speziell an pflegebedürftige Menschen. Qualifizier- te Übungsleitende von Sportvereinen führen in Pflegeeinrich- tungen einen Bewegungs- kurs mit 24 Einheiten durch. Zur Finanzierung des Starterkurses be- kommen die Sportvereine eine För- dersumme und profitieren zusätzlich von einem neuen Netzwerk. Zudem unterstützt der LSV dabei, nach dem Projekt ein Dauerangebot entstehen zu lassen. Für jedes Programm stellt der LSV in Kooperation mit der AOK NordWest eine Anschubfinanzierung für die Vereine bereit. Die weitere Zu- sammenarbeit erfolgt dann zwischen dem Verein und der Pflegeeinrichtung.
8 Innovation und Praxis NWFAKTOR 01/24 Praxis Was ist eigentlich ... ... forsa? Die forsa Gesellschaft für Sozial- forschung und statistische Ana- lysen mbH (forsa), ist – neben der Forschungsgruppe Wahlen, Kantar, Allensbach und Infra- test dimap – eines der führenden Markt- und Meinungsforschungs- institute Deutschlands. Das Institut wurde 1984 von Manfred Güllner gegründet und hat seine Hauptniederlassung in Berlin. forsa liefert für Unternehmen, politische und staatliche Insti- tutionen, Medien und Wissen- schaft Fakten – überwiegend für den deutschen Markt. forsa nutzt bei der Ermittlung der wichtigen Fakten alle verfüg- baren statistischen Verfahren und Methoden: telefonische und persönliche sowie Befragungen per Internet. Im Rahmen der forsa-Sozialforschung werden Projekte abgewickelt, die von öffentlichen Institutionen wie Ministerien und Kommunen in Auftrag gegeben werden. Die Er- gebnisse und die daraus gezoge- nen Schlussfolgerungen sind oft Gegenstand des gesellschaft- lichen und politischen Diskurses in Deutschland. Die forsa-Politik- forschung wickelt von Medien in Auftrag gegebene Projekte ab, die Erkenntnisse über den gegen- wärtigen Status und die Verän- derungen des politischen und ge- sellschaftlichen Systems liefern. Nach eigenen Angaben ist das Meinungsforschungsinstitut ein Pionier auf dem Gebiet bevölke- rungsrepräsentativer Befragun- gen per Internet. Die forsa-Pro- jektleiter sind wissenschaftliche Mitarbeiter in sozial- und wirt- schaftswissenschaftlichen Fächern (Soziologen, Psycholo- gen, Ökonomen und Statistiker). forsa beschäftigt rund 80 Mit- arbeiterinnen und Mitarbeiter. GESUNDHEITSSEKTOR IN DER PFLICHT Klimaschutz ist Gesundheitschutz Der Klimawandel ist eine der größten Gesundheitsbedrohungen. Stür- me, Starkregen und Hitzewellen sowie die zunehmende Ausbreitung von neuen Infektionskrankheiten sind nur einige der Herausforderungen. B ei der Anpassung an die Klimaver- änderung sieht der Deutsche Ethik- rat den Gesundheitssektor in einer besonderen Pflicht. Das Gesundheitswe- sen müsse dazu beitragen, die Treibhaus- gasemissionen zu senken. Zudem komme dem Sektor eine entscheidende Rolle bei der Versorgung von Menschen zu, die be- sonders anfällig für die Folgen der Erd- erwärmung seien. In seiner im März vor- gestellten Stellungnahme empfiehlt der Rat dem Gesetzgeber, die Regeln und die Ressourcenverteilung des Gesundheits- systems so zu ändern, dass bei der Regu- lierung, Steuerung und Organisation des Gesundheitswesens Fragen der Klima- anpassung besondere Aufmerksamkeit erhalten. Den CO2-Abdruck des Gesund- heitssektors bezeichnete die Vorsitzen- de des Ethikrats Alena Buyx als „relativ knackig“. Ursächlich seien etwa der hohe Verbrauch an Einmalplastik, unzureichend angepasste Klinikbauten, veraltete Heiz- anlagen und Transportwege. Der Ethik- rat begrüßte die vielfältigen Initiativen des Sektors zum Klimaschutz, etwa Hit- zeschutzpläne. Solche Initiativen seien für alle Sektoren wichtig. Welche Weichen für eine „nachhaltige und klimaneutrale Weiterentwicklung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung“ gestellt werden müssen, be- schäftigt auch die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenkassen. In einem gleichnamigen Grundsatzpapier hat der Verwaltungsrat des Spitzenverbands der gesetzlichen Kranken- und Pflegekas- sen (GKV SV) seine Vorschläge und For- derungen dazu zusammengefasst. Es liege im ureigenen Interesse der Solidar- gemeinschaft, die Versorgung ökologisch nachhaltig zu gestalten und den CO2- Fußabdruck des Gesundheitswesens zu minimieren. Um das Gesundheitswesen und die Pflege bis spätestens 2045 kli- maresilient, klimaneutral und nachhaltig aufzustellen, setzen sich die Kranken- und Pflegekassen für konkrete Ziele und mehr Verbindlichkeit ein. Auf dieser Grundlage ließe sich der klimaneutrale Umbau ge- meinsam mit den im Klimapakt Gesund- heit zusammengeschlossenen Akteuren verantwortlich vorantreiben. Leitende Prinzipien müssten die Vermeidung von unnötigem Ressourcenverbrauch und die Erhöhung der Ressourceneffizienz sein. So sei der Abbau von Über- und Fehlver- sorgung, der Ausbau der Digitalisierung und der verantwortungsvolle Umgang mit Arzneimitteln für ein nachhaltiges und kli- maneutrales Gesundheits- und Pflege- wesen unabdingbar. Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaanpassung in Krankenhäusern und stationären Pflege- einrichtungen seien originäre staatliche Aufgaben. Bund und Länder müssten ih- ren Finanzierungsverpflichtungen konse- quent nachkommen und dürfen diese nicht auf die Beitragszahlenden abwälzen. • sm c _ d r a n o e l / m o c k c o t S . i : o t o F
NWFAKTOR 01/24 Innovation und Praxis 9 Wissenslücke: Was ist klimafreundliche Ernährung? Fast drei Viertel der Bevölkerung in Westfalen-Lippe und zwei Drittel in Schleswig-Holstein möchten sich gern nachhaltiger ernähren. Doch es fehlt an Informationen. Ein Klima-Label wäre ein erster Schritt. SH 66 % würden sich gerne nachhaltiger ernähren. 72 % WL Quelle: Forsa Nur 38 Prozent der Menschen in Westfa- len-Lippe (WL) und 40 Prozent in Schles- wig-Holstein (SH) wissen, was genau mit einer „klimaschonenden Ernährung“ gemeint ist. Gleichzeitig würden sich 72 Prozent (WL) bzw. 66 Prozent (SH) ger- ne nachhaltiger ernähren. Das geht aus einer repräsentativen forsa-Umfrage hervor. Hier ist die Politik gefragt, mehr Informationen zu liefern und Kennzeich- nungen zu schaffen. „Ein Klima-Label wäre ein erster wichtiger Schritt, um kli- mafreundliche Lebensmittel einzukau- fen“, sagt Dirk Pisula, Fachbereichsleiter Prävention der AOK NordWest. Geteilt zeigten sich die Befragten, ob die Politik stärkere Anreize für eine pflan- zenbasierte Ernährung geben müsste: 52 Prozent der Befragten in WL stim- men dieser Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zu, in SH 46 Prozent. Weniger Fleisch, mehr Pflanzliches – gut für Körper und Klima. „Klima und Gesund- heit hängen eng miteinander zusammen. Beide Bereiche gemeinsam zu denken, macht absolut Sinn“, betont Pisula. Zu- sammen mit dem Meinungsforschungs- institut forsa hat die AOK 1.508 zufäl- lig ausgewählte Personen ab 18 Jahren in Deutschland zum Thema nachhaltige Ernährung befragt. Die repräsentative Meinungsumfrage gibt Einblicke in Ein- stellungen, Wissen und Verhalten der Be- völkerung. • imo aok.de/pk/thema/klimafreund- liche-ernaehrung/ aok.de/pk/leistungen/sport-er- naehrung/ernaehrungsbera- tung/ Rund die Hälfte der Bevölkerung meint, dass die Politik „klimaschädliche Lebensmittel höher besteuern“ sollte … … bzw. „stärkere Anreize für eine pflanzen- basierte Ernährung schaffen“ sollte Zustimmung zu hypothetischen politischen Maßnahmen in Prozent 5 % 4 % k.A. 14 % 17 % „überhaupt nicht“ 27 % 28 % „voll und ganz“ 23 % 19 % „eher nicht“ a s r o F : e l l e u Q 31 % 32 % „eher“ Westfalen-Lippe Schleswig-Holstein 19 % 16 % „überhaupt nicht“ 29 % 28 % „eher nicht“ 6 % 4 % k.A. 17 % 21 % „voll und ganz“ 29 % 31 % „eher“
10 Innovation und Praxis NWFAKTOR 01/24 PRIMÄRVERSORGUNGSZENTREN Bessere Medizin auf dem Land Arztsitze in ländlichen Regionen bleiben vermehrt unbesetzt. Primärversorgungszentren sollen in strukturschwachen Regionen die hausärztliche Versorgung stärken. Das bietet weitere Chancen, wenn die regionalen Gestaltungsmöglichkeiten ausgeweitet werden. D as Bundesgesundheitsministerium adressiert ein aus Sicht der AOK NordWest wichtiges Thema: die Sicherung der medizinischen Versorgung von Menschen in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Dafür sind Primärversorgungszentren (PVZ) als neue und erweiterte Form der hausärztlichen Ver- sorgung vorgesehen. Mit einem erweiterten Angebot sollen sie insbesondere den Bedürfnissen älterer und multimorbider Pa- tientinnen und Patienten gerecht werden. Dazu sollen die PVZ einerseits mit der jeweiligen Kommune und andererseits mit anderen Fachärztinnen und Fachärzten sowie weiteren nicht- ärztlichen Leistungserbringern kooperieren. Mit dem erweiter- ten Spektrum und der vernetzten Zusammenarbeit sollen die PVZ zudem die hausärztliche Tätigkeit attraktiver machen. z e r a v l a / m o c k c o t S . i : o t o F Bernd Marchlowitz, Unternehmensbereichsleiter Ambulante Versorgung der AOK NordWest, befürwortet die Einführung von Primärversorgungszentren: „Die Bedarfe der Patientin- nen und Patienten werden immer komplexer. PVZ bieten eine gute Chance, einen niedrigschwelligen Zugang und eine um- fassende Grundversorgung zu vereinen.“ Für die Patientin- nen und Patienten müsse es eine bessere Erreichbarkeit und geringere Fragmentierung der Versorgung geben. Primärver- sorgungszentren sollten deshalb auch als Grundlage für die Etablierung einer interprofessionellen Zusammenarbeit auf Augenhöhe dienen. Die Versorgung im ländlichen Raum mit besonders vielen älteren Patientinnen und Patienten soll besser werden. Um das zu erreichen, sei der im Referentenentwurf gesetz- te Rahmen für die Primärversorgungszentren an vielen Stel- len noch zu eng. „PVZ sollten flächendeckend umgesetzt wer- den können“, meint Marchlowitz, „Errichtungsbeschränkungen auf unterversorgte Regionen sind nicht zielführend.“ Vielmehr sollten die Gründungsvoraussetzungen möglichst niedrig sein und sich ausschließlich am Bedarf der Patientinnen und Pa- tienten orientieren. Dabei sei ein ausreichender Spielraum für Drei Fragen an ... Bernd Marchlowitz Unternehmensbereichsleiter Ambulante Versorgung bei der AOK NordWest DiGAs benötigen ein Update Der GKV-Spitzenverband hat seinen dritten „Bericht über die Inanspruchnahme und Entwick- lung der Versorgung mit Digitalen Gesundheitsanwendungen“ ver- öffentlicht und ein „gesetzliches Update gefordert“. 1. Wie ist die Haltung der AOK NordWest zu dem Bericht? Der GKV-Spitzenverband hat das Ergebnis als „ernüchternd“ bezeichnet. Dem schließen wir uns an. Es besteht dringender Handlungsbedarf. 2. Was kritisieren die Krankenkassen konkret? Sowohl das Zulassungsverfahren der Digitalen Gesundheitsanwendungen als auch deren Fi- nanzierung sind verbesserungswürdig. Derzeit kann nur jede fünfte App bei der Aufnahme in den Leistungskatalog einen Nutzen für die Pa- tientinnen und Patienten nachweisen. Sie wer- den zunächst „auf Probe“ gelistet und später gegebenenfalls wegen Unwirksamkeit wieder t s e W d r o N K O A : o t o F
NWFAKTOR 01/24 Innovation und Praxis 11 eine auf die Region zugeschnittene Ausgestal- tung wichtig. So sollte der Versorgungsauftrag eines PVZ zum Beispiel auch die fachärztliche Grundversorgung einer Region umfassen kön- nen. Je nach regionalem Bedarf könnten auch weitere Gesundheitsprofessionen sowie sozia- le Beratungsangebote und Nachsorge- und Be- obachtungsmöglichkeiten das Versorgungsan- gebot ergänzen. Nach Auffassung von Bernd Marchlowitz ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Arztzent- rierung nicht förderlich, um die interprofessio- nelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu eta- blieren. „Medizinisch-pflegerische Leistungen sollen im PVZ als Teamleistung zur Verfügung gestellt werden“, erläutert Marchlowitz. Pfle- gefachpersonen – wie etwa Advanced Practice Nurses oder Community Health Nurses – müss- ten dabei eine wesentliche Rolle einnehmen. Ebenso sollten besonders qualifizierte Medizi- nische Fachangestellte oder Physician Assis- tants entsprechend ihrer Kompetenzen einge- setzt werden. „Vor diesem Hintergrund sollte eine solche interprofessionelle Betriebsform auch gesetzlich verankert werden“, so der Ex- perte. Nach seiner Auffassung können Primärversor- gungszentren aber nur ein Teil der Lösung für die ambulante Versorgung sein. Wichtig sei es auch, die Vorschläge zur Krankenhausreform in Bezug auf die Einführung von sektorenüber- greifenden Versorgungseinrichtungen frühzei- tig mitzuberücksichtigen. Diese können so Teil eines insgesamt erforderlichen Umbaus der Versorgungslandschaft sein und zur Bereit- stellung eines bedarfsgerechten wohnortna- hen Versorgungsangebots beitragen. • bh/hw gestrichen. Die Hersteller können aber im ersten Jahr der Anwendung den Preis nahe- zu frei diktieren. Teilweise werden horrende Preise aufgerufen. Der Durchschnittspreis ei- ner DiGA ab dem 13. Monat liegt dann deut- lich darunter. 3. Wo sehen Sie Ansätze? Für jede App muss ab dem ersten Tag der Markteinführung die Wirksamkeit nachge- wiesen und der Preis „angemessen“ ausge- handelt worden sein. Im Gesetzgebungsver- fahren zum „Digitalgesetz“ haben wir uns für Änderungen eingesetzt. Der Gesetzgeber hat diese leider nicht aufgenommen und damit eine Chance vertan, nachzubessern. • hw K O A , O d W I : s o t o F AOK & Medien Folgen Sie uns auf X Direkt vernetzt mit den Teams Presse & Politik der AOK NordWest – ganz einfach über: @AOKNordWest Neues aus dem AOK-Kosmos Heilmittelbericht 2023/2024 Krankengymnastik, Logopädie oder Ergothe- rapie: Die Kosten der GKV für Heilmittel haben sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt. Waren es 2013 noch 5,4 Milliarden Euro beliefen sich die Ausgaben der GKV inklusive der Zuzahlungen der Patienten 2022 auf ca. 11,1 Milliarden Euro. wido.de > Publikationen & Produkte > Buchreihen > Heilmittelbericht AOK-Newsletter Mehr Tipps, mehr Gesundheitswis- sen, mehr Infos: Wie kann ich mich vor bestimmten Krankheiten schützen oder ihnen vorbeugen? Antworten darauf bietet der individuell konfigurierbare News- letter, der monatlich erscheint. aok.de/pk/medien/newsletter/ Der Ernährungs- Podcast Der von der AOK empfohlene Podcast „Mythos Mahlzeit“ klärt wöchentlich über Zusammen- hänge von Ernährung und Ge- sundheit auf. Experten ordnen Er- nährungs-Mythen ein und geben Alltagstipps zu Themen wie Abnehmen, Essstörungen oder Nahrungsergänzungsmitteln. aok.de/pk/versichertenservice/podcast- mythos-mahlzeit/
12 Ein- und Ausblicke NWFAKTOR 01/24 GESUNDHEITSNAVIGATOR Portal hilft bei Suche nach Arzt und Klinik Glosse Bilderrätsel von Irja Most Eine junge Frau versucht ihre Suppe mit der Gabel zu essen. Eine Bulldogge steckt ihr Ge- sicht durch die Katzenklap- pe einer Haustür. Zwei Beine ragen durch eine demolierte Zimmerdecke in die Wohnung darunter. Ein Schaf auf einer Wiese sitzt mit dem Kopf in einem Eimer fest (hoffen wir aus Gründen des Tierschutzes, dass es sich um eine Monta- ge handelt). Doch was heißt das jetzt genau? Frauen sind zu doof, ihre Suppe mit dem passenden Besteck zu löffeln? Hunde dürfen nicht ins Haus? Die Qualität im Wohnungs- bau ist mies? Schafe bringen sich bei der Nahrungsaufnah- me in missliche Lage? Falsch! Es ist in Wahrheit viel einfa- cher: Mit dieser Bildsprache in Beiträgen in den sozialen Medien will das Bundesge- sundheitsministerium junge Leute vom Kiffen abhalten. Kostenpunkt der in Barbie- Pink garnierten Kampagne: 1,45 Millionen Euro. Seien wir also gespannt, ob sich die In- vestition gelohnt hat sowie auf die angekündigte evidenz- basierte Auswertung der Wir- kung. Gerne können wir aber schon jetzt darum wetten, wie viele junge Leute auf- grund dieser kleinen Einspie- ler-Bildchen auf X und Insta tatsächlich den Joint aus der Hand legen – um stattdessen lieber Brokkoli zu naschen. Der Gesundheitsnavigator der AOK ist für viele Patientinnen und Patienten eine wichtige Orientierungshilfe bei der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus oder einer Arztpraxis. Im Online-Portal sind jetzt aktualisierte Informationen zu be- sonderen Zertifizierungen, zur Erfüllung von Mindestfallzahlen und zur Behand- lungsqualität abrufbar. So zeigt der Navi- gator etwa die gültigen Zertifikate der Deutschen Krebsgesellschaft an, die nur an fachlich besonders qualifizierte Kran- kenhausabteilungen mit einem etablier- ten Qualitätsmanagementsystem verge- ben werden. Auch die Teilnahme von Kliniken am Endoprothesenregister Deutschland und die Erfüllung der Min- destmengenvorgaben für bestimmte Ein- griffe werden ausgewiesen. Damit erhal- ten Menschen, die vor einer planbaren Operation stehen, Hilfe bei der Klinikwahl. Auch für den ambulanten Bereich sind K O A : o t o F Qualitätsinformationen verfügbar: Praxen aus Arztnetzen, die im AOK-Projekt „Qua- lität in Arztnetzen – Transparenz mit Rou- tinedaten“ mit einem Qualitätssiegel für eine herausragende Versorgungsqualität ausgezeichnet worden sind, werden ge- kennzeichnet. 2023 verzeichnete das Por- tal knapp 1,4 Millionen Besuche. • sm aok.de/gesundheitsnavigator Gebühr wegen verpasster Arzttermine? Pro Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth Bundesvorsitzende des Hausärz- tinnen- und Hausärzteverbands Kontra Stefanie Stoff-Ahnis Vorständin beim GKV-Spitzenverband Viele erscheinen nicht zu ihrem Termin oder sagen so kurzfristig ab, dass es unmöglich ist, einen Ersatz zu finden. Das ist unsozial, nicht nur der Praxis gegenüber, sondern auch anderen Versicherten. Wer einen Urlaub bucht und nicht er- scheint, muss eine Gebühr zahlen, das ist ziemlich klar. Warum sollten wir das nicht für unsere Gesundheit einfordern? Es muss klar werden, dass jeder nicht wahrgenomme- ne Termin Kosten verursacht, die die Solidargemeinschaft trägt. Leere Wartezimmer sind sehr selten und wohl kaum ein wirtschaftlicher Schaden für die Praxen. Unsozial wäre eine pauschale Strafgebühr. 10, 20 oder 50 Euro: Für einige ist das wenig Geld, für andere sehr viel. Das ist unseres solidarischen Gesundheitssystems unwürdig. Übrigens: Wie oft nehmen Patientin- nen und Patienten wegen ungüns- tiger Öffnungszeiten der Praxen frei, wie viele Stunden verbringen sie im Wartezimmer? Dafür gibt es auch keine Entschädigung. a s l e a M m o T / d n a b r e v n e z t i p S - V K G : o t o F d n a b r e v e t z r ä s u a H d n u - n e n n i t z r ä s u a H : o t o F NordWestFAKTOR – Hrsg.: AOK NordWest, 44269 Dortmund, Kopenhagener Str. 1, Tel.: 0231 4193-0 Redaktion: Tom Ackermann (ta), Melanie Eckart (me), Andrea Elsenplässer (ae), Philipp Emmerich (pe), Bernd Haindl (bh), Leiter des Stabsbereichs Politik der AOK NordWest (verantw.), Bernhard Hoffmann (bho), Kerim Köhne (kö), Susanne Mix (sm), Irja Most (imo), Elke Neuhaus (en), Heiko Wortmann (hw) Grafik: Anna Magnus Fotocredits @ AOK: Seite 1, 6, 7, 9, 12 Druck: Albersdruck, Düsseldorf Verlag: KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Rosenthaler Straße 31, 10178 Berlin, Tel.: 030 220 11-103 Nachdruck nur mit Genehmigung. 24.0266 i r a t h k o M A / m o c k c o t S . i , K O A : u l l I